Rede auf der SPD-Nominierungsveranstaltung

Liebe Genossinnen und Genossen,

heute stehe ich vor euch, um mich als eure Direktkandidatin für die Bundestagswahl 2025 zu bewerben. Es ist für mich eine große Ehre und Verantwortung zugleich. Viele von euch können sich sicherlich noch daran erinnern, dass ich am 15. Oktober 2016 nach einem sehr intensiven und erfolgreichen Oberbürgermeisterwahlkampf mit unserer OB-Kandidatin Patricia Steinberger schon einmal genau hier an dieser Stelle stand. Die Delegierten hatten damals zu entscheiden, ob Filiz Cetin oder ich für euch in den Wahlkampf ziehen sollte, ihr habt euch damals für mich entschieden und so stehe ich heute wieder hier, um für unsere gemeinsamen politischen Ziele einzutreten – Ziele, die sich nicht verändert haben.

 

Mein Engagement für soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit wurzelt tief in meiner eigenen Lebensgeschichte. Ich wurde 1970 als viertes Kind einer Arbeiterfamilie in Thüringen, in der ehemaligen DDR geboren. Nach meinem Abitur begann ich 1988 ein Lehramtsstudium in Halle an der Saale. Doch dann kam die Wiedervereinigung und 1991, kurz vor dem Referendariat, wurde mir und allen anderen Studentinnen ein Informationsschreiben in die Hand gedrückt mit folgendem Inhalt:

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es derzeit zu viele Lehramtsstudierende in den naturwissenschaftlichen Fächern. Wir können derzeit nur für die männlichen Bewerber eine Referendarstelle garantieren. Den weiblichen Bewerberinnen wird angeraten, sich für ein Jahr einer anderen Tätigkeit zu widmen und sich im nächsten Schuljahr erneut zu bewerben. Das war erst einmal ein Schlag ins Gesicht: Es wurde nach dem Geschlecht selektiert und nicht nach der Eignung oder Leistung. Das war der erste Moment, in dem ich Ungerechtigkeit und Diskriminierung am eigenen Leibe erfuhr und dachte mir: Jetzt müssen wir ostdeutschen Frauen von vorne anfangen und um unsere Rechte kämpfen. Dieses Erlebnis prägt mein politisches Handeln bis heute, und es zeigt mir, wie wichtig der Kampf für Gleichberechtigung weiterhin ist.

 

Wir sind leider immer noch weit entfernt von einer echten Gleichberechtigung und deshalb ist das ein Kampf, dem ich mich weiterhin massiv stellen werde.

Im Juni 1996 bin ich mit meiner Familie dann in das schöne Niederbayern, nach Landshut umgezogen. Meine Tochter war 6 Jahre alt und wurde im September eingeschult, mein Sohn war eineinhalb. Beide gingen in Halle in Kindertagesstätten, wir waren ja schließlich beide berufstätig und das sollte auch hier so sein. Also war mein erster Gang nach dem Umzug zum Jugendamt in dem Irrglauben, dass ich für meinen Sohn einen Kinderbetreuungsplatz bekommen könnte. Die Blicke und Äußerungen der Mitarbeiterinnen werde ich nie vergessen: Sie haben 2 kleine Kinder und wollen arbeiten? Betreuungsplätze gibt es erst ab 3 Jahren und selbst da nicht für alle und nur stundenweise und ohne Mittagessen und und und. Ich war entsetzt und geschockt zugleich, musste mich dann an eine Tagesmutter wenden und habe eineinhalb Jahre nur dafür gearbeitet, dass mir mein Arbeitsplatz erhalten bleibt, denn mein Einkommen ging fast vollständig für diese Art der Kinderbetreuung drauf.

Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass die SPD in den vergangenen Jahrzehnten so viel für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan hat. Doch es bleibt noch viel zu tun: Fachkräfte, faire Bezahlung, ausreichende Räumlichkeiten – das sind Themen, für die ich weiterkämpfen werde, liebe Genossinnen und Genossen!

 

2002 habe ich mich mit meinen beiden Kindern von meinem Mann getrennt, über Nacht. Ich suchte für uns drei dringend eine Wohnung und habe bei Immobilienmaklern vorgesprochen. Trotz fester Arbeitsstelle bei einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, habe ich ablehnende Sätze wie diese gehört: Wenn Sie zwei Hunde oder Katzen hätten, könnten wir Ihnen eine Wohnung vermitteln, aber mit zwei kleinen Kindern… man hat mich an das Wohnungsamt der Stadt Landshut verwiesen. Dort bekam ich drei Wohnungen vorgeschlagen, die ich bereits nach einer kurzen Inaugenscheinnahme absagen musste, denn einen solchen Abstieg konnte und wollte ich meinen Kindern und mir nicht zumuten.

Ich musste mich dann kurzerhand für eine teure Wohnung entscheiden, konnte froh sein, dass ich überhaupt eine bekommen habe. Die Wohnkosten haben damals fast 2 Drittel meines Einkommens verschlungen. Für Wohngeld war mein Einkommen zu hoch.

Bezahlbarer Wohnraum… ein Thema, das mich seit vielen Jahren begleitet.

Warum ist bezahlbarer Wohnraum so wichtig? Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, überteuert zu wohnen. Es hat mich Monat für Monat unter Stress und Druck gesetzt und damit meiner Gesundheit geschadet. Wegen der hohen Ausgaben war kein Geld für anderen Konsum, für Weiterbildungsmaßnahmen, für soziale Kontakte und Vereine da.

 

Die Lebensqualität ist gesunken, meine Wohnung war für meine Kinder und mich zum Unsicherheitsfaktor für unser Leben geworden. Dabei soll die Wohnung für Stabilität und Sicherheit einer Familie sorgen, sie soll ein sicherer Rückzugsort sein. Wohnraum ist zum Spekulationsobjekt verkommen und dies hat nur funktioniert, weil fast alles dem freien Markt überlassen wurde und der hat kräftig zugeschlagen. Dagegen gibt es nur ein Mittel: Es muss mehr staatliche Regulierung her und die Mehrheit an Wohnobjekten muss in öffentliche Hand. Da wir eh in den meisten Gebieten und vor allem in den Ballungszentren zu wenig Wohnraum haben, muss die öffentliche Hand Wohnraum schaffen.

Wir können den Wohnungsmarkt nur regulieren, wenn es genügend bezahlbare Wohnungen aus der öffentlichen Hand gibt. Wohnen ist ein Menschenrecht! Den entsprechenden UN-Sozialpakt hat Deutschland bereits 1973 ratifiziert! Dabei geht es um angemessenen Wohnraum, dem Einkommen entsprechend und natürlich auch in der Qualität.

Ich will mich dafür einsetzen, dass in den Ballungsräumen, in Kommunen mit angespannten Wohnungsmärkten bezahlbarer Wohnraum durch die Kommunen selbst geschaffen wird, durch massive Förderungen. Gleichzeitig dürfen wir den ländlichen Raum nicht vergessen, wo oft das Gegenteil der Fall ist. Menschen ziehen dorthin, wo es Arbeit, Kitas, medizinische Versorgung gibt, wo die Infrastruktur stimmt.

Das ist eine große Herausforderung, der wir uns dringend stellen müssen. Es kann nicht sein, dass Hunderttausende Wohnungen fehlen, aber auf der anderen Seite 2 Mio. Wohnungen leer stehen. Das ist nämlich der aktuelle Stand. Wir brauchen ausgeglichene Verhältnisse in Stadt und Land, liebe Genossinnen und Genossen!

Auch der Mindestlohn ist ein Thema, das mir ganz besonders am Herzen liegt und nur durch unsere SPD in Regierungsverantwortung 2015 durchgesetzt wurde. Ich habe hautnah miterlebt, wie meine Eltern nach der Abwicklung ihrer Betriebe im Osten zu Hungerlöhnen arbeiten mussten, daraus dann 3 Jahre lang Arbeitslosengeld erhielten, und am Ende mit einer kaum ausreichenden Rente dastanden.

Die Einführung des Mindestlohnes war und ist trotz aller Unkenrufe ein historischer Erfolg, denn es profitieren mittlerweile über 6,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon, ungefähr ein Siebentel aller Erwerbstätigen und natürlich mehrheitlich Frauen…

Doch wir dürfen uns darauf nicht ausruhen, uns immer wieder für Erhöhungen stark machen, denn eine Erhöhung des Mindestlohnes wirkt sich positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung aus, das haben Studien wissenschaftlicher Institute bereits längst festgestellt. Und wenn wir gerade bei der Entlohnung sind, müssen wir über Tarifbindung und Tarifverträge reden. Derzeit sind nicht einmal 50 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Firmen tätig. Das kann und darf nicht sein, liebe Freunde.

 

Wir brauchen tarifgebundene Arbeitsplätze, damit sich die Menschen, die unsere Wirtschaft aufrechterhalten, die tagtäglich aufstehen und ihre Arbeit leisten sich sicher sein können, dass sie entsprechend entlohnt werden und nicht zusätzlich soziale Leistungen beantragen müssen oder weitere Jobs verrichten müssen. Den Vorstoß von unserem Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, dass die öffentliche Hand nur noch Aufträge an tarifgebundene Firmen vergeben darf, unterstütze ich sehr, denn das baut auch einen gewissen Druck auf.

Für mich war und ist es selbstverständlich, dass ich mich gleichzeitig in der SPD und der Gewerkschaft engagiere, denn für mich gehören wir einfach zusammen.

Hand in Hand müssen wir dafür sorgen, dass Tarifverträge abgeschlossen werden und bis dahin in mehr Branchen bestehende bundeseinheitliche Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt werden. Nur so können wir sicherstellen, dass sich arbeiten für jeden und jede lohnt!

Und so gäbe es noch einige Situationen zu erzählen, aus denen sich mein politisches Engagement erklärt. Ich habe euch das alles nicht dargestellt, um bemitleidet zu werden. Sondern das sind Lebenserfahrungen, Lebensabschnitte, die ich mit Millionen anderer Menschen da draußen teile. Ich weiß also was gerade bei den sozialen Themen umgesetzt werden muss, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern.

 

Die Menschen, mit denen ich rede, die mir ihr Leid klagen oder mit denen ich in den vielen Vereinen und Verbänden für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft viele Stunden aktiv bin, wissen, dass ich keine Floskeln erzähle, sondern dass ich unsere sozialdemokratischen Ziele aus tiefsten Herzen vertrete. Und, wir dürfen bei all unseren Zielen und vielen Forderungen und den immer noch großen Gerechtigkeitslücken eines nicht vergessen:

Die Erfolge unserer SPD!

Denn nur sozialdemokratische Konzepte haben die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert: der gesetzliche Mindestlohn oder der abschlagsfreie Rentenbezug ab 63 nach 45 Versicherungsjahren, die Mütterrente, die Grundrente, für die man keinen Antrag stellen muss, das Bürgergeld, den gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergarten-Platz, das Wohngeld-Plus, die Ausbildungsplatzgarantie, das Deutschlandticket. Die SPD schließt Gerechtigkeitslücken. Mein Ziel ist es, für die Wünsche der Menschen und der Parteibasis auf Bundesebene zu kämpfen. Denn eine umfassendere Politik sozialer Gerechtigkeit war mit den bisherigen Koalitionspartnern nicht umsetzbar. Beispiele sind die Bürgerversicherung im Gesundheitswesen und die Wiedereinführung einer verfassungskonformen Vermögenssteuer für Millionäre. Doch die wachsenden Gesundheitsausgaben verlangen nach einer gerechten Verteilung der Lasten und einer Politik, die auch zum Beispiel die Pharmakonzerne stärker in die Pflicht nimmt.

 

Ich werde mich hartnäckig für die Einführung der BürgerInnenversicherung und eine Pflegevollversicherung einsetzen. Ausgabensteigerungen dürfen nicht mehr länger nur den Beschäftigten und Rentnerinnen und Rentnern aufgebürdet werden. Vor allem aber ist es nicht hinnehmbar, dass durch den demographischen Wandel und den medizinischen Fortschritt verursachte, steigende Kosten nur von den Arbeitnehmern und Rentnern bis zur Beitragsbemessungsgrenze getragen werden. Ich bin für eine Bürgerversicherung, in die alle BürgerInnen einzahlen und die Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze, liebe Genossinnen und Genossen.

Meine über 33 Berufsjahre im gesetzlichen Krankenkassensystem haben mich in meiner Forderung nur noch bestärkt.

Unser Land braucht eine starke Sozialdemokratie, die für Gerechtigkeit und Zusammenhalt kämpft. Für mich darf die SPD nicht nur das soziale Korrektiv in unserer kalten Ellbogengesellschaft sein, die SPD muss der Garant für soziale Gerechtigkeit und sozialen Frieden sein. Wir müssen verhindern, dass die Mittelschicht weiter schrumpft und die soziale Kluft zwischen Arm und Reich immer weiter zunimmt. Denn eine sozial gespaltene Gesellschaft schafft lediglich einen günstigen Nährboden für die Feinde der Demokratie wie wir gerade sehen. Wir müssen verhindern, dass populistische Sprüche und falsche Versprechungen unsere Demokratie gefährden. Und wir brauchen Lösungen in der Migrationspolitik, die auf Solidarität und Integration setzen.

 

Ich werde mich mit aller Kraft für unsere Ziele einsetzen, für eine gerechtere und solidarischere Gesellschaft. Lasst uns gemeinsam kämpfen – für unsere Zukunft und für die Menschen, die uns brauchen!

 

Freundschaft!

 

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